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Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 07.08.2023

5. September 2023

Wer Wasser fördert, muss mehr zahlen

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Mineralwasserhersteller bereichern sich auf Kosten der Gesellschaft. Es ist an der Zeit, das Geschäftsmodell der Produzenten kritisch zu hinterfragen.

Von Uwe Ritzer

Mineralwasserhersteller tun gerne so, als wären sie die einzig wahren und daher unverzichtbaren Trinkwasserlieferanten. Schließlich nehme der Mensch das, was sie in Flaschen verkaufen, nahezu hundertprozentig in sich auf. Während jene 128 Liter Leitungswasser, die jeder Mensch hierzulande statistisch pro Tag verbraucht, vor allem in Abflussrohren lande. Es stimmt, dass nur vier Prozent davon getrunken oder für Essenszubereitung verwendet werden. Trotzdem ist das Zahlenspiel irreführend. Es soll ein ethisch fragwürdiges und sozial ungerechtes Geschäftsmodell schönreden und legitimieren.

Denn nichts anderes ist das Mineralwassergeschäft: unfair. Für einen lächerlichen Bruchteil dessen, was Privathaushalte an Gebühren für ihr Leitungswasser bezahlen, holen Abfüller in 13 Bundesländern das Allgemeingut Wasser aus dem Boden. In Bayern, Hessen und Thüringen zahlen sie überhaupt nichts dafür. Den billigen oder gar kostenlosen Rohstoff füllen sie ab und verkaufen ihn teuer. Die Allgemeinheit wird also ihres Wassers beraubt. Die Gewinnspannen sind zumindest bei den großen Unternehmen in der Branche enorm, wie die Zahlen aus dem Verkaufsprozess der Altmühltaler-Gruppe zeigen, der in diesem Jahr abgeschlossen wurde. Dank des lukrativen Geschäfts wurde deren ehemaliger Eigentümer Michael Schäff zu einem der reichsten Deutschen.

Wasser war lange im Überfluss vorhanden, jetzt nicht mehr

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Wo gibt es das ein zweites Mal? Vom Schreiner bis zum Autokonzern muss jedes Unternehmen die notwendigen Rohstoffe zu marktüblichen Preisen kaufen. Mineralwasserhersteller müssen das nicht. Jahrzehntelang hat das kaum jemand kritisch hinterfragt, weil Wasser in Deutschland stets im Überfluss vorhanden war. Überdies versteht es die Branche glänzend, ihre abgefüllten Wässerchen zu einem modernen Lifestyle-Produkt zu stilisieren.

Selbst Gastronomen, die bei der Auswahl ihrer Zutaten von einem hohen Anspruch getrieben sind, kredenzen zu Feinschmecker-Menüs wie selbstverständlich industrielle Massenware vom Schlage San Pellegrino oder Perrier. Diese bekannten Marken zum Beispiel werden abgefüllt vom Schweizer Lebensmittelkonzerns Nestlé und über Hunderte Kilometer herangekarrt, zum Schaden des Klimas. Neuerdings bewerben deutsche Mineralwasserhersteller ihre Produkte als pure Natur. Das ist nicht falsch, es erklärt aber auch nicht, warum sie dieses reine Naturprodukt auf Kosten der Allgemeinheit ausbeuten dürfen.

So darf das nicht weitergehen. Der Klimawandel lässt die Wasservorräte nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas schwinden. Mancherorts mag es noch so sein, dass nicht mehr Grundwasser entnommen wird, als auf natürlichem Weg nachfließt. In der Gesamtbetrachtung ist das aber nicht mehr so. Wasser wird ein immer knapperes Gut, folglich muss genau hingeschaut werden, wer hierzulande wie viel davon nutzt – und zu welchen Konditionen. Immer mehr Menschen tun das.

Bürger wehren sich mit Erfolg gegen Coco-Cola und andere

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In Lüneburg haben Bürger dem US-Getränkeriesen Coca-Cola die Lust an der Expansion seiner Wassermarke Vio ausgetrieben und in Bayern ähnliche Pläne der Firma Altmühltaler gestoppt. Öffentliche Versorger sehen das nicht ungern. Die kommunalen Wasserwerker verwiesen lange vergeblich darauf, dass sie gesundes und tadelloses Trinkwasser verkaufen – zum Spottpreis gemessen am Flaschenwasser im Supermarktregal.

Es führt kein Weg daran vorbei, das immer knappere Wirtschaftsgut teurer zu machen. Wohlgemerkt nicht für Privathaushalte, sondern für kommerzielle Abnehmer. Das Wasserentnahmeentgelt (vulgo: Wassercent), das in 13 Bundesländern marginal bemessen und in Bayern, Thüringen und Hessen überhaupt nicht verlangt wird, muss angehoben oder überhaupt erst einmal eingeführt werden. Und zwar auf einem Niveau vergleichbar mit privaten Wassergebühren.

Ach ja, und noch einmal zu den 128 Litern pro Tag, von denen der Mensch nur vier Prozent unmittelbar aufnimmt. Mitnichten lässt sich damit das Geschäftsmodell Mineralwasser begründen. Denn 36 Prozent der 128 Liter gehen für Körperpflege, 27 Prozent für Toilettenspülung und zwölf Prozent fürs Wäschewaschen drauf. Seit es Menschen gibt, trinken sie Wasser nicht nur, sondern verwenden es auch für ihre Hygiene. Das ist nicht verwerflich, sondern es gehört zum Menschsein und muss bezahlbar bleiben.